Ein Job im Vertrieb?

Die Berufswahl zählt für jeden Menschen zu den wichtigsten Entscheidungen im Leben. Vor allem durch die Zeit und Energie, die in den Job gesteckt werden, wird dieser oftmals Teil der eigenen Identität. Sehen Sie sich nur an, was passiert, wenn Sie einen alten Freund nach langer Zeit wieder treffen: Nach der Frage, wie es dem […]
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September 19, 2020
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6 minutes

Die Berufswahl zählt für jeden Menschen zu den wichtigsten Entscheidungen im Leben. Vor allem durch die Zeit und Energie, die in den Job gesteckt werden, wird dieser oftmals Teil der eigenen Identität. Sehen Sie sich nur an, was passiert, wenn Sie einen alten Freund nach langer Zeit wieder treffen: Nach der Frage, wie es dem anderen geht, kommt gleich im Anschluss die Frage nach dem Beruf. Wenn Sie sich dann vor Augen führen, dass der Durchschnittsbürger knapp 40 Jahre oder 70.000 Stunden in seinem Leben mit der Arbeit verbringt, bekommt das Thema noch einmal mehr an Gewicht.

Für Unternehmen wiederum ist der Vertrieb die wichtigste Komponente in der Firmenstruktur, da hier die Umsätze generiert werden, die das Unternehmen langfristig erfolgreich machen. Die Produktentwicklung kann noch so gut sein, das Marketing große Kampagnen starten und die Finanzabteilung schöne Rechenbeispiele anstellen: Wenn der Vertrieb, die Speerspitze des Unternehmens, versagt, fehlen die Umsätze und in der Firma geht sprichwörtlich gesprochen sehr schnell das Licht aus.

Dieser Absatz ist an alle Quereinsteiger gerichtet und allgemein an Personen, die noch wenig Erfahrung im Vertrieb haben und überlegen, Ihre Karriere dort fortzusetzen: Zunächst sollten Sie sich bewusst die Frage beantworten, ob Vertrieb das ist, was Sie wirklich wollen und ob Verkaufen zu Ihnen passt, da eine Position in diesem Umfeld sich grundlegend von beinahe allen anderen Jobs unterscheidet. Ungedeckeltes Gehalt durch Provisionen, die es ermöglichen, das eigene Gehalt selbst zu beeinflussen, keine fixen Arbeitszeiten, freie Zeiteinteilung und selbstständiges Arbeiten klingen für viele sehr verlockend. Oft sind es jedoch die Schattenseiten, die ebenfalls Teil eines Vertriebsjobs sind, an denen viele Menschen scheitern. Meist sind Sie von Beginn an mit großer Verantwortung und Umsatzdruck konfrontiert. Täglich können die Verkaufszahlen durch den Vorgesetzten abgerufen werden. Viele Firmen nutzen dies, um ihre Vertriebsmitarbeiter im Wettbewerb gegeneinander antreten zu lassen, was den Druck noch weiter erhöht. Im Verkauf sind Sie außerdem meist auf sich allein gestellt und lange Autofahrten oder Dienstreisen können zu Einsamkeit führen. Ein weiterer Aspekt ist, dass die Arbeitszeiten oft über die 40-Stunden-Grenze hinausgehen, speziell wenn das Verkaufsgebiet groß ist und eine entsprechende Reisetätigkeit verlangt wird. Dies bringt großen Druck mit sich, dem viele nicht gewachsen sind.

Kürzlich habe ich mit einem beruflich extrem erfolgreichen Bewerber gesprochen, der in seiner Vertriebskarriere alles erreicht und ein hohes sechsstelliges Gehalt bezogen hat. Die Kehrseite der Medaille ist jedoch, dass er 200 Nächte im Jahr außer Haus verbracht hat und sich nun in einem Rosenkrieg mit seiner Frau befindet. Dies sind Gefahren, die ein Vertriebsjob mit sich bringt, speziell wenn Sie ein Top-Performer sein wollen. Vertrieb sollte auch nicht nur deshalb Ihre Wahl sein, weil Sie Ihren alten Job körperlich nicht mehr ausführen können und irgendeine andere Stelle suchen. Wie gesagt, überlegen Sie sich ganz genau, ob Sie wirklich in den Verkauf wollen. Jeden Tag bin ich mit Bewerbern konfrontiert, die sich für eine Vertriebsstelle bewerben, weil sie ihrem aktuellen Job physisch nicht mehr gewachsen sind. Zwei Berufskategorien stechen hier deutlich heraus: Einerseits die Gastronomie und andererseits das Handwerk. Eine Arbeitsstelle in der Gastronomie einerseits ist kein 40-Stunden-Job, bringt zusätzlich viel Wochenenddienst und Nachtarbeit mit sich und birgt ein extrem hohes Stresslevel. Solange die Arbeitnehmer in dieser Branche jung sind, ist das alles kein Problem, aber spätestens, wenn die Familienplanung ansteht, wird ein Wechsel immer interessanter. Dem gegenüber stehen die Handwerker, die körperlich nach jahrelanger Schwerstarbeit nicht mehr in der Lage sind ihren erlernten Beruf auszuüben. Kaputte Knie, abgenutzte Gelenke oder ein Bandscheibenvorfall sind leider für viele Personen allgegenwärtig. Was auch die Gründe für einen angestrebten Berufswechsel sind, viele gehen dann aktiv auf Jobsuche und finden ausgeschriebene Vertriebspositionen. Auf meine Frage, warum es denn für sie zukünftig der Vertrieb sein solle, bekomme ich dann meist die Standardantwort: Weil sie gerne mit Menschen zu tun haben. Alles klar. Viele Menschen haben leider nach wie vor eine Traumvorstellung von einer Vertriebsposition: Auf einfache Art und Weise viel Geld verdienen, mit einem schönen Firmenauto ein bisschen durch die Gegend fahren, Kaffee trinken und nur bis zum Mittag arbeiten. Die Realität sieht ganz anders aus. Die Zeiten, in denen viele Vertriebsmitarbeiter nur vormittags gearbeitet haben, am Nachmittag im Freibad gelegen sind und am Freitag sowieso nichts gearbeitet wurde, sind definitiv vorbei. In der digitalen und schnelllebigen Zeit, in der wir uns jetzt befinden, ist so etwas nicht mehr möglich. Mittlerweile gibt es immer mehr Unternehmen, die ihre Vertriebsmitarbeiter mittels eingebautem GPS im Firmen-PKW oder Firmenhandy überwachen und zu jeder Zeit wissen, wo sich ein Mitarbeiter aufhält. Jeder kann selbst entscheiden, wie er zu einer derartigen Vorgehensweise steht, aber so ist definitiv in vielen Firmen die Realität.

Ich hoffe, ich habe Ihnen jetzt nicht den Mut genommen, um im Vertrieb durchzustarten oder den nächsten Karriereschritt zu wagen. Es ist jedoch wichtig, die Rahmenbedingungen zu kennen und zu wissen, worauf Sie sich einlassen. Dies ist der Grund, warum ich die letzten Zeilen sehr überzogen dargestellt habe.

Möglicherweise denken Sie sich jetzt: Warum ist dann ein Vertriebsjob die beste Arbeit der Welt? In kaum einem anderen Bereich können Sie derart selbstbestimmt und frei arbeiten wie im Verkauf. Sie entscheiden, wie Sie den Tag, die Woche, den Monat und das ganze Jahr gestalten, welche Kunden Sie wann besuchen wollen. Sie können eigene Ideen einbringen und umsetzen. Sie arbeiten den ganzen Tag mit Menschen, Sie begeistern Kunden, Sie verhandeln, Sie finden Lösungen und erzeugen im besten Fall eine Win-Win-Situation. Es gibt kaum ein schöneres Gefühl als nach einem erfolgreichen Abschluss, bei dem Sie einem Kunden weiterhelfen konnten. Die Freude des Gegenübers ist die beste Bezahlung.  Und natürlich der Gehaltsaspekt: In kaum einem anderen Bereich haben Sie derart hohe Verdienstmöglichkeiten. Verständlicherweise, da Sie für die Umsätze und Deckungsbeiträge des Unternehmens verantwortlich sind, ist es nur richtig, am Erfolg beteiligt zu sein. Dies bringt mich zum nächsten Punkt: In den meisten Vertriebsjobs können Sie Ihr Gehalt durch Ihren Einsatz und Erfolg selbst beeinflussen. Neben einer fixen Gehaltskomponente wird oftmals ein variabler Bestandteil ausbezahlt, der sich nach vordefinierten Zielen richtet. Dies alles macht Vertriebspositionen finanziell sehr interessant.

Wenn der Vertrieb genau das Ihre ist, dann ist ein Job in diesem Bereich das Beste der Welt und kann extrem erfüllend sein. Schlägt Ihr Herz nach wie vor für den Verkauf, wird es Zeit, an das Eingemachte zu gehen und mit einer Bewerbung loszulegen.

 

Foto von LinkedIn Sales Navigator von Pexels

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